Eine Lanze für Stift und Papier

  17.11.2023 Meinung

Während Österreich versucht digitale Lehrmittel in den Lehrplan zu pressen, schaltet Schweden einen Gang zurück. Kreativität, Bewegung und feinmotorische Fertigkeiten passen besser in die analoge Welt.

Als in den neunziger Jahren des vorigen Jahrtausends das Internet in Österreich Einzug hielt, ahnte niemand welche Auswirkungen das auf unser tägliches Leben haben wird. Zwar gab es schon den einen oder anderen „Personal Computer“, von Smartphone, Smartwatch oder KI war noch lange nicht die Rede. Auch Google und Facebook waren noch nicht geboren. Heute ist ein Leben ohne digitaler Endgeräte kaum mehr vorstellbar. Kommunikation, Unterhaltung, Nachrichten, Bankgeschäfte selbst Behördengänge wanderten in die virtuelle Welt. Die Anwender werden immer jünger und der erste Kontakt mit digitalen Endgeräten beginnt bei vielen noch vor dem Kindergarten. Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer warnt schon seit Jahren vor negativen Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung. „Das was uns Erwachsenen die Produktivität erhöht, ist nicht notwendigerweise das beste Spielzeug für unsere Kinder,“ so Spitzer, der ausdrücklich warnt: „Alkohol schadet der Gehirnentwicklung und Alkohol macht süchtig. Für digitale Medien trifft das auch zu.“ Der tägliche Kampf, die Kinder weg von den Bildschirmen hinaus ins Freie zu bringen, ist wohl vielen Eltern bekannt. Waren vor nicht allzu langer Zeit elektronische Geräte in Schulen noch verpönt, haben sie mittlerweile die Klassenzimmer erobert und sind Teil des Lehrplanes. So sind die ohnehin bereits reizüberfluteten Kinder mit Tablets und Laptops konfrontiert. Man rühmt sich, wenn die klassiche Kreidetafel abmontiert und gegen digitale Whiteboards getauscht wird.

Während man in Österreich krampfhaft versucht digitale Lehrmittel in den Unterricht zu pressen, ist man in Schweden bereits einen Schritt weiter. Seit vielen Jahren gilt Skandinavien unbestritten als „Musterschüler“ in Sachen Bildung. Förderte man früher auch die Digitalisierung des Unterrichts, ließ kürzlich die schwedische Bildungsministerin Lotta Edholm mit einer Ankündigung aufhorchen: Schweden wolle bei der Digitalisierung der Schulen einen Gang zurückschalten und wieder verstärkt auf analoge Lehrmittel setzen. Die Bildschirmzeit der Kinder solle maßgeblich reduziert, im Kindergarten und in der Vorschule gar verboten (!) werden. Mit etwas Glück sickert der neue schwedische Weg auch zu österreichischen Entscheidungsträgern durch.

Nun kann man sich der Entwicklung nicht verschließen und es ist durchaus sinnvoll, Möglichkeiten und Gefahren der virtuellen Welt aufzuzeigen. Vorrang sollten jedoch, insbesondere bei Volksschulkindern, Stift und Papier haben. Kreativität, Bewegung und feinmotorische Fertigkeiten lassen sich in der analogen Welt leichter erlernen. Die Taschenrechner-App und die Autorkorrektur können Kopfrechnen und Rechtschreibung nicht kompensieren, auch wenn das Smartphone treuer Begleiter in der Hosentasche ist.


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